Poetische Vitamine – Teil I

Region Hannover: Bei Wülfinghausen

UNBEKANNTES, VERGESSENES…

Der Monat April…

In dem aberellen
sô die bloumen springen,
sô louben die linden
und gruonen die buochen,
so singent die vogele
und habent ir willen,
wan si minne vinden,
aldâ si suochen
an ir gnôz,
wan ir blîdeschaft ist grôz,
der mich nie verdrôz.
wan si swîgen al den winter stille.

Heinrich von Veldeke, dt. Dichter, letztes Drittel des 12. Jhds.

Neuhochdeutsche Übersetzung:

Im Monat April
wenn die Blumen sprießen,
wenn sich die Linden belauben
und die Buchen ergrünen,
dann singen die Vögel
und haben ihren Willen,
denn sie finden die Liebe,
dort wo sie sie suchen,
bei ihren Artgenossen
und ihre Freude ist groß,
die mich nie verdross;
denn sie schweigen den ganzen Winter über stille.

Entnommen aus: Minnesang, hrsg. und übersetzt von Helmut Brackert, Frankfurt/M. 2008, S.50f.