„Die Energiepolitik der Zukunft“ – Vortrag und Diskussion bei den Laatzener Grünen

Danyel Reiche, Dorota Szymanska und Andreas Quasten während der Diskussion zum Thema Energiepolitik

Am 10. September 2009 fand auf Einladung der Laatzener Grünen eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema Energiepolitik, Atomkraft und die Erneuerbaren Energien statt. Aktueller hätte das Thema kaum sein können, und trotzdem waren nur wenige Laatzener Bürger der Einladung gefolgt. Prof. Dr. Danyel Reiche referierte zum Thema und beantwortete danach noch zahlreiche Fragen.

In der Gaststätte „Zur Leinemasch“ wäre Platz für wesentlich mehr interessierte Gäste gewesen. Am Thema lag es sicher nicht, dass die Veranstaltung nicht besser besucht war. Schließlich bestimmte das Thema Atomkraft gerade in der Woche die Schlagzeilen der Zeitungen – nach der großen bundesweiten Anti-AKW-Demo wenige Tage zuvor in Berlin. Die Öffentlichkeit war durchaus sensibilisiert für dieses Thema. Das war auch deutlich an den Wahlkampfständen im Leinecenter zu bemerken. Dennoch war die Veranstaltung inhaltlich ausgesprochen gelungen. Danyel Reiche referierte souverän und alles andere als trocken über sein Spezialgebiet: die Erneuerbaren Energien. Dass die Atomkraft weltweit nur einen geringen Teil der Energieversorgung ausmacht, nur relativ wenige Länder tatsächlich AKWs betreiben und von der vielbeschworenen „Renaissance der Atomenergie“ nüchtern betrachtet gar keine Rede sein könne, machte der Politikwissenschaftler aus Hannover, der momentan in Beirut an der American University lehrt, in seinem Vortrag deutlich. Die Zukunft gehöre den Erneuerbaren Energien, wobei kurz- und mittelfristig die Kohle auch einen hohen Stellenwert und weltweit einen beträchtlichen Anteil an der Energieversorgung behalten werde. Dies ist aus Klimaschutzgründen und auch aus grüner Sicht zu bedauern – werde aber unvermeidbar sein, so Reiche. Es sei aber keineswegs so, dass die Atomkraft aus Klimaschutzgründen eine Alternative sei, wie von den Befürwortern dieser Risikotechnologie gebetsmühlenartig immer wieder behauptet wird. Das Argument ist genauso fadenscheinig und vorgeschoben wie das zweite sehr beliebte, die Atomenergie sei so wahnsinnig billig. Dabei werden nämlich ausschließlich die laufenden Kosten berücksichtigt. Außerdem ist der Aspekt des nicht auszuschließenden Risikos und die nicht geklärte Frage der Entsorgung des hochradioaktiven Mülls nicht wegzudiskutieren und macht Menschen einfach Angst. Die Grünen brauchten dieses Thema im Wahlkampf nicht herbeireden. Gorleben, Krümmel und die Asse beschäftigen die Menschen auch in Laatzen. Danyel Reiche wies in seinem Vortrag darauf hin, dass es derzeit weltweit kein einziges genehmigtes und betriebsbereites Endlager gebe. Die Halbwertzeit des Plutoniums, das im maroden Atommüll-Lager Asse eingelagert wurde – wesentlich mehr, als bis vor kurzem bekannt -, beträgt etwa 24.000 Jahre! Nach wenigen Jahrzehnten schon haben wir jetzt die Probleme einer Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politik und mit Kosten in Milliardenhöhe für Sanierung oder Schließung zu rechnen. Soviel zum Thema „billige Atomkraft“! Und durch eine „Umlagerung“ ist der Atommüll ja auch nicht verschwunden. Wissen wir, wer in 24.000 Jahren dieses Land regiert? Naja, Schwarz-Gelb hoffentlich nicht mehr! Diese Landesregierung leistet sich einen Atomlobbyisten, der laut über einen AKW-Neubau nachdenkt, als Umweltminister. Selbst eine Verlängerung der Restlaufzeiten stößt jedoch (noch) nur bei einer Minderheit in der Bevölkerung auf Zustimmung. Politiker von Union und FDP sind ja auch bemüht, die Atomkraft nur als „Brückentechnologie“ zu bezeichnen. Dass sie die Erneuerbaren Energien auch ausbauen wollen, mag ja sein. Aber halbherzig und widersprüchlich ist diese Energiepolitik allemal! Zu den Perspektiven und Potenzialen für die regenerativen Energien – langfristig und global betrachtet – äußerte sich Danyel Reiche ausgiebig und ging in der Diskussion auch auf sehr spannende Fragen wie die Realisierungschancen solcher Großprojekte wie die Idee, die Solarenergie aus dem Raum der Sahara in gigantischem Umfang zu nutzen, ein. Wichtig sei ihm dabei, dass nicht nur diskutiert werde, in welchem Maße wir in Europa davon profitieren könnten, sondern dass zunächst mal die Länder in der Region selbst diese Energieform nutzen – und nur darüber hinaus diese Energie von uns importiert werden solle. Seine grundsätzlichen Überlegungen und Analysen zu diesem Thema – insbesondere einen internationalen Vergleich der Förderung von Erneuerbaren Energien – hat Danyel Reiche in seiner Habilitationsschrift mit dem Titel „Nationalstaatliche Handlungsmöglichkeiten zur Förderung erneuerbarer Energien in Ländern der Europäischen Union unter besonderer Berücksichtigung von Deutschland, den Niederlanden und Polen“ zusammengefasst, wobei diese aus dem Jahr 2005 stammt. Er ist außerdem Herausgeber der Buchreihe „Ecological Energy Policy“, arbeitet seit 2008 am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie als Projektleiter Zukunftsenergien und Internationale Aspekte und ist Herausgeber des Standardwerkes „Grundlagen der Energiepolitik“ (auch aus dem Jahr 2005). Zu letzterem hat übrigens Klaus Töpfer das Vorwort geschrieben (der ja immer noch Mitglied der CDU ist). Derselbe Klaus Töpfer, der kürzlich in einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (vom 30.08.2009) – grüner Umtriebe sonst eher unverdächtig – eindeutig Position bezogen hat. Das Ganze unter der Überschrift „Kernenergie ist nicht die Lösung“! Töpfer, der nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 der erste Bundesumweltminister wurde und später acht Jahre lang Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi war, stellte darin klar: „Natürlich werden bei uns Kernkraftwerke sicher betrieben. Sonst sind sie abzuschalten. Aber die Kernenergie wird nicht die Lösung sein für die Energieversorgung der Welt. Die 400 Kernkraftwerke, die es weltweit gibt, machen gerade gut vier Prozent unserer Energieproduktion aus. Wir bräuchten also Tausende Kernkraftwerke mehr. Wer kann den Abfall dafür entsorgen? Und wo kommt der Brennstoff her? Im dann notwendigen Brennstoffkreislauf wird in erheblichen Mengen Plutonium erzeugt. In einer Welt, in der das staatliche Gewaltmonopol immer schwächer wird, ist das in hohem Maße sicherheitsgefährdend. Deshalb brauchen wir eine Zukunft ohne Kernenergie.“ Klaus Töpfer wäre ein Kandidat gewesen, den auch wir Grünen durchaus zum Bundespräsidenten hätten mitwählen können. Aber das ist ein anderes Thema! Danyel Reiche hat nicht auf dieses Interview hingewiesen, daher sollte es an dieser Stelle nachgeholt werden. Die Statements von Klaus Töpfer stützen nämlich genau die Argumentation des jungen Politikwissenschaftlers (Jahrgang 1972), der im übrigen in Hannover studiert und promoviert hat. Wenngleich man über die Sicherheit der deutschen AKWs angesichts von Krümmel durchaus streiten könnte. Es ist sehr schade, dass es uns als Grünen in Laatzen gelungen ist, einen solchen Experten für eine unserer Veranstaltungen zu gewinnen, diese aber nur von wenigen Laatzener Bürgern besucht wurde. Einige würden sich im Nachhinein ärgern, wenn sie wüssten, was für einen interessanten Vortrag sie verpasst haben. Bedauerlich war in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass die Lokalpresse trotz unserer Bemühungen nicht deutlicher auf unsere Veranstaltung hingewiesen hat. So ist sie im Wahlkampf und unter vielen anderen Veranstaltungen, die vielleicht nicht so fundiert und informativ waren, leider etwas untergegangen. Daraus müssen und werden wir als Laatzener Grüne für die Zukunft lernen und – auch selbstkritisch – unsere Schlüsse ziehen. Wiederholen werden wir ähnliche Veranstaltungen zu aktuellen Themen auf jeden Fall – nicht bloß in Wahlkampfzeiten! Denn Politik hört ja nicht an einem Wahlabend auf. Im Gegenteil! Mit uns als Grünen ist auch weiterhin zu rechnen, wenn es um Themen geht, die für die Menschen wirklich wichtig und von Interesse sind: Integration und Bildung sind nur zwei davon, auf die wir in der nächsten Zeit verstärkt das Augenmerk richten werden.